Autor-Archiv Jakob Schreiber

VonJakob Schreiber

Bucaramanga Drumsample Study

Abstract: In der beschriebenen Studie beschäftige ich mich mit der Bearbeitung und Nutzung zweier Drumset-Aufnahmen, die mit einem Smartphone älterer Generation aufgenommen wurden und so einen sehr artefaktreichen, teilweise übersteuerten und obertonreichen klang aufweisen. Davon ausgehend wird durch akkordbasierte Filterung ein Kontrast erzeugt, der durch prägnante Brüche einen zeitlichen Zwischenraum erzeugt. Im Text wird die zugrundeliegende Arbeitsweise beschrieben und eingeordnet, inwiefern sie der ästhetischen Exploration dienlich ist.

Vorgeschichte des Ausgangsmaterials

Die beiden Drumsamples, die in der Studie bearbeitet wurden, wurden in einem Proberaum und Kolturzentrum in der kolumbianischen Stadt Bucaramanga aufgenommen, die der Studie auch ihren Namen geben. Das Zentrum „Beats – Salas de Ensayo y Espacio Cultural“ existiert heute nicht mehr. Inzwischen ist in den Räumen ein gleichnamiges Burgerrestaurant. Die Aufnahmen wurden mit einem Samsung S3 mini aufgenommen und haben daher eine verzerrte, fast bit-gecrushte Ästhetik. Gleichzeitig beinhalten sie gleichzeitig ein sehr obertonreiches Spektrum, was sie prädestiniert macht für die Bearbeitung durch Resonanzfilter.

Arbeitsweise

Entwickelt wurde eine Arbeitsweise, die einerseits flexibel ist und Änderungen in der zeitlichen, aber auch klanglichen und tonalen Anordnung unkompliziert zulässt und die gleichzeitig eine gewisse Sicherheit bietet gegen unerwartete Ausfälle, die bei der Arbeit mit komplexen Musikprogrammen keine Seltenheit sind. Auf der Suche nach passenden Lösungen in Open Music wurde die Unterteilung in Synthese- und Strukturpatches gefunden. In einzelnen, hauptsächlich mit der verfremdung des Ausgangsmaterials befassten Patches werden einzelne Fragmente erstellt, die dann im Strukturpatch miteinander kombiniert, deren Zusammenklang erörtert und neu arrangiert werden.

Patches und Arbeitsschritte

Anhand der einzelnen Synthese- und des Strukturpatches wird im folgenden noch detaillierter auf die oben beschriebene Arbeitsweise eingegangen.

Generierung der statischen Fragmente

Der Generierung liegen zwei Ausgangs-Audiofiles zugrunde, von denen eines in seiner Klanglichkeit unbehandelt belassen wird und das andere durch akkordabhängige Filterung stark verfremdet wird. Die Spieldauern beider Audiofiles werden je nach Fragment unterschiedlich eingestellt, was den prägnant kontrastierenden Charakter der Studie im gesamten schafft.
Die einzelnen Frequenzbänder eines Akkords werden in einem Loop erzeugt und durch SOX-MIX zusammen mit dem unbehandelten Audiofragment übereinander gelegt.

Generierung der glissandierenden Fragmente

Mit einer leichten Abwandlung des oben beschriebenen Patches für statische Fragmente wird das zwölfte Fragment erzeugt, welches ein in der Geschwindigkeit ansteigendes Glissando bis zum Ende inne hält. Gelöst wurde das durch den Einsatz von sox-multi-transpose, was es erlaubt, eine Transpositionskurve über den Verlauf des bearbeiteten Files zu zeichnen.

Generierung des fade-out Fragments

Das vierzenhnte Fragment wurde insofren besonders behandelt, als dass es zusätzlich zum oben beschriebenen Glissando auch noch zwei Fade-Outs beinhaltet, die mittels sox-fade implementiert wurden. Nach 1.5 Sekunden wird das unbearbeitete Drumsample bis zum Verstummen immer leiser. Der zweite Fade am Ende des Fragments ist kaum bemerkbar und führt lediglich dazu, dass es am Ende des Soundfiles nicht zu unerwünschten Artefakten kommt.

Zusammenführung der Fragmente

Der Patch in dem die einzelnen Audioclips zusammengeführt werden fungiert während des Entstehungsprozesses immer wieder als Abgleich der abstrakten Idee mit der letztendlichen Wirkung. Zum einen werden hier die verschiedenen Audiofiles der einzelnen Teile mittels SOX-CONCATENATE miteinander verkettet. Zum anderen dient der Patch aber auch als Score, der neben dem Audiomaterial auch die zugrundeliegenden Akkorde und Glissando-Kurven enthält. Diese haben in diesem Patch jedoch keine technische Funktion, sondern dienen lediglich der Übersicht und besseren Zuordenbarkeit. Bei manchen der Audiofiles wurden auch in diesem Patch noch kleine Eingriffe durch sox-trim und sox-amplitude vorgenommen.


Zusammenfassung

Die Arbeitsweise in Einzelpatches das Material zu generieren und in einem gesonderten Patch die Fragmente zu strukturieren hat sich als einerseits sehr flexibel und gleichzeitig auch zuverlässig herausgestellt. Selbst wenn ein generierender Patch aus irgendeinem Grund korumpiert ist, ist nicht die ganze bisherige kompositorische Arbeit verloren.

VonJakob Schreiber

Spatiale Transformation des Stückes »Ode An Die Reparatur«

Abstract: Der Eintrag beschreibt die Spatialisierung des Stückes »Ode An Die Reparatur« (2021) und dessen Transformation in eine Higher Order Ambisonics Version. Ein binauraler Mix des fertigen Stückes ermöglicht es, den Arbeitsprozess anhand des Ergebnisses nachzuvollziehen.

Betreuer: Prof. Dr. Marlon Schumacher

Ein Beitrag von: Jakob Schreiber

Stück

Das Stück »Ode An Die Reparatur« (2021) besteht aus vier Sätzen, von denen jeder sich auf einen anderen Aspekt einer fiktiven Maschine bezieht. Interessant an diesem Prozess war es, den Übergang von Maschinenklängen in musikalische Klänge zu untersuchen und über den Verlauf des Stückes zu gestalten.

Produktion

Die Produktions-Ressourcen des Stückes waren einerseits ein UHER-Tonbandgerät, welches einfache Repitch-Veränderungen ermöglicht und durch seine Funktionsweise mit Motoren und Riemen für die Umsetzung dieses an mechanische Maschinen angelehnten Stückes prädestiniert war. Außerdem kam SuperCollider als digitale Klangsynthese- und Verfremdungsumgebung zum Einsatz.

Aufbau

Das Stück besteht aus vier Sätzen.

Erster Satz

Das Tonmaterial des Beginns setzt sich aus verschiedenen Aufnahmen eines Tonbandgerätes zusammen, über welches neben Stille klar hörbare, synthetisierte Motoren-Klänge abgespielt werden.

Zweiter Satz

Die zu manchen Teilen an Vogelgezwitscher erinnernden Klangobjekte treten teils unvermittelt aus steriler Stille in den Vordergrund.

Dritter Satz

Die perforative Charakteristik im inneren eines Zahnradgetriebes transformiert sich im Verlauf des Satzes zu tonal ausgebildeten Resonanzen.

Vierter Satz

Im letzten Satz spielen die Motoren eine monumental anmutende Abschluss-Hymne.

Spatialisierung

Angelehnt an die kompositorische Form des Stückes halten sich die Spatialisierungs-Entwürfe an die Unterteilung in Sätze.

Arbeits-Praxis

Der Arbeitsprozess lässt sich, ähnlich wie der OM-Patch, in verschiedene Bereiche aufteilen. Im Labor-Abschnitt erforschte ich verschiedene Spatialisierungsformen auf ihre Ästhetische Wirkung hin und untersuchte deren Übereinstimmung mit der kompositorischen Form des bereits bestehenden Stückes.

Um verschiedene Trajektorien, oder feste Positionen von Klangobjekten zu ermitteln spielte neben der auditiven Wirkung auch die visuelle Einschätzung der jeweiligen Trajektorien eine wichtige Rolle.

Letztendlich wurden die Paramter der bereits vorausgewählten Trajektorien mit einem Streuungsverlauf ergänzt, fein justiert und schließlich über eine Kette aus Modulen in ein Higher Order Ambisonics Audiofile fünfter Ordnung transformiert.

In Iterativer Weise werden die synthetisierten Mehrkanal-Dateien in REAPER in das Gesamtgefüge eingepflegt und deren Wirkung untersucht, bevor sie mit einem optimierten Set an Parametern und Trajektorien noch einmal den Syntheseprozess durchlaufen.

Näheres zu den einzelnen Sätzen

Zunächst kann hier die binaurale Version des spatialisierten Stückes als ganzes angehört werden. In der Folge werden kurz die Herangehensweisen der einzelnen Teile beschrieben

 

 
Erster Satz

Die lange gezogenen, wie Schichten übereinander liegenden Klanwolken bewegen sich im ersten Teil dem Grundtempo des Satzes entsprechend. Die Trajektorien liegen dabei in der Summe U-förmig um den Hör-Bereich, wobei sie nur die Seiten und Vorderseite abdecken.

Zweiter Satz

Einzelne Klang-Objekte sollen aus sehr verschiedenen Positionen zu hören sein. Nahezu perkussive Klänge aus allen Richtungen des Raumes lassen die Aufmerksamkeit der Hörer*in springen.

Dritter Satz

Das klangliche Material des Teiles ist eine an den Klang von Zahnrädern, oder eines Getriebes angelehnte Klangsynthese. Das Augenmerk hierbei lag in der Immersion in die fiktive Maschine. Aus eben diesem Klangmaterial entstehen durch Resonanzen und andere Veränderungen liegetöne, die sich zu kurzen Motiven aneinander reihen.

Das Spatialisierungskonzept für diesen Teil setzt sich aus beweglichen und teilweise statischen Objekten Zusammen. Die beweglichen erschaffen zu Beginn des Satzes eine Anmutung von Räumlichkeit Immersion. Zum Ende des Satzes kommen zwei verhätnismäßig statische Objekte links und rechts der Stereobasis hinzu, die vor allem die melodie-haften Aspekte des Klanges hervorheben und an ihrer jeweiligen Position lediglich flüchtig auf der vertikalen Achse oszillieren.

Vierter Satz

Die Instrumentierung dieses Teiles des Stückes setzt sich aus drei Simulationen eines Elektromotors zusammen, die jeweils eine Eigene Stimme verfolgen. Um die einzelnen Stimmen noch etwas besser voneinander zu trennen, entschied ich mich dazu, jeden der vier Motoren als einzelnes Klangobjekt zu behandeln. Um den monumentalen Charakter des Schlussteils zu unterstützen, bewegen sich die Objekte dabei nur sehr langsam durch den fiktiven Raum.